Geht das auch nett?

Über Kommunikation, Social Skills und Training

Pocahontas

June 19, 2020

Eigentlich wollte ich nichts zum / drum herum/ über / das Corona Thema schreiben, aber jetzt ist mir eine Geschichte über den Weg gelaufen, die ich unbedingt teilen möchte, denn sie ist einfach grandios – ungewöhnliche Ideen in ungewöhnlichen Zeiten.

Irgendwie telefoniere ich in diesen Zeiten des zwangs-Homeoffice viel mehr. Das führt aber putzigerweise zumindest bei mir dazu, dass ich plötzlich mit Kolleginnen und Kollegen telefoniere, mit denen ich sonst keinen so engen Kontakt habe. Ein sehr netter und bemerkenswerter Nebeneffekt, finde ich zumindest. Und da ich ja noch ein Kind aus der Zeit des stundenlangen Telefonierens bin – also richtiges Telefonieren, keine Pussy Sprachnachrichten über WhatsApp, gibt es bei mir immer „Wie ist das Befinden?“ Fragen.

Das Gespräch mit der entfernteren Kollegin sollte ein Gedankenaustausch zum Thema der digitalen Transformation sein – was machen diese Zeiten mit uns, wie gehen wir mit unseren Team Mitgliedern und Kollegen um, was macht die Technik mit uns etc.

Den Anfang machte meine obligatorische Frage: „Wie ist das Befinden?“ „Na ja, mit meiner Ersatzfamilie ist es schon eine Herausforderung, aber wir kriegen das hin.“ Schweigen meinerseits – komplette Verwirrung, da ich wusste, dass sie NUR einen Mann und ein Kind hatte. Ich fragte also nach: „Ehm, wohnst du nicht nur mit Mann und Kind zusammen?“ Und dann kam die Auflösung: Die Kollegin war ungefähr anderthalb Wochen vor der Kontaktsperre zur Mutter-Kind Kur gefahren. Dort lernte sie eine andere Mutter aus dem Süden kennen, die auch mit ihren beiden Kindern dort war. Als sich die Lage zunehmend zuspitzte, entschlossen sich beide kurzerhand, für die nächsten Wochen zusammen zu ziehen – also die Männer wurden auch gefragt, allerdings weiß ich nicht so ganz, wieviel Abstimmungsrecht die noch hatten.

Ich war platt! Ausbruch meinerseits:

„Warum machst du sowas?“ Und da war sie da – Pocahontas: „Manchmal ist der richtige Weg nicht der einfachste Weg.“

Was waren die Beweggründe? Sicherlich war es ein konkretes Abwägen von Pro und Contra:

Wohnungstechnisch: eine Familie mit 2 Kindern in einer Wohnung ohne Garten, Spielplätze und Kita / Kindergarten zu – Horror.

Arbeitstechnisch: Homeoffice und systemkritische Jobs unter einen Hut mit kleineren Kindern zu Hause – wie geht das?

Nach meiner ersten Verwunderung fand und finde ich es einfach großartig – zusammenwachsen in eine „Extended Family“ in diesen Zeiten, sich gegenseitig helfen, Raum schaffen, geben und nehmen – eigentlich das, was ich aus meinen Erlebnissen mit anderen Kulturen zu Genüge kenne – und plötzlich wird es hier spontan umgesetzt.

Sicherlich ist es immer noch kein Zuckerschlecken – es bedarf unbenommen vieler Gespräche und Hinterfragungen, ob man so auf dem richtigen Weg ist, was war gut, was war schlecht etc. Aber was für ein Erlebnis und Abenteuer, welches alle Beteiligten auf ihren weiteren Lebensweg, ob alt oder jung, mitnehmen können.

Pocahontas heißt übrigens Andrea.