Geht das auch nett?

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Nur ein Gedanke: Ungeduldig im Supermarkt

August 17, 2016

Wer meinen Artikel über Zeitmanagement gelesen hat, weiß, ich senke gefühlt den deutschen Durchschnittsbeschäftigungsgrad gewaltig. Habe ich es auch weniger eilig? Ganz ehrlich? Ich glaube schon.

Ich verstehe, dass es Leute so eilig haben und ohne Rücksicht auf Verluste an uns vorbeirasen. Sie haben einen Job, Kinder, “Freizeitstress” wie Hobbies, Sport etc. Die Sachen müssen erledigt werden! Die Gesellschaft lebt für die Zukunft, in der Zukunft - nicht im Jetzt. Dafür ist keine Zeit.

Was ich nicht verstehe, ist, warum alle es so eilig haben. Warum nicht mal schauen und fühlen, was im Jetzt los ist? Wieso ist das, was noch kommt, meist so viel wichtiger, als was in diesem Moment los ist?

Analysieren wir doch mal die jetztige Situation: es ist jetzt Mitte August. Hochsommer bzw. Vorweihnachtszeit. Und im Supermarkt geht es tatsächlich schon los! Natürlich ist das Wetter hier im Norden nicht ideal. Ich würde mir jetzt auch 30 Grad und Sonnenschein wünschen. Stattdessen sind es heute nur(!) 20 und es weht ein leichter Wind. Es könnte wirklich noch sehr viel schlimmer sein.

Die Supermarkt-Marketing-Strategen langweilen sich jetzt schon, haben genug vom Sommer und werden ungeduldig. Schon jetzt tauchen herbstliche Halloween-Dekorationen in den Regalen auf. Nur noch wenige Wochen und noch bevor der Herbst offiziell begonnen hat, wird Weihnachtsschokolade den Hauptbestandteil der Supermarktwerbung schmücken. Die ungeduldige Motivation noch mehr Produkte zu verkaufen zu einer noch früheren Jahreszeit überträgt sich ganz sicher auf das Unterbewusstsein des gemeinen Einkäufers.

Wann ist eigentlich dieser lästige Sommer endlich vorbei? Ich will frieren!

[caption id=“attachment_377” align=“aligncenter” width=“300”]Doch zu warm für Glühwein. Doch zu warm für Glühwein.[/caption]

Die aus meiner Sicht größte Sünde des Eilighabens spielt sich jedoch das ganze Jahr ab:

Das zum Teil panikhafte Verhalten unserer lieben Zeitgenossen, wenn eine neue Supermarktkasse geöffnet wird. Quatsch nein - es beginnt sogar noch eher! Eine leichte Unruhe bricht schon aus, wenn die Schlange eine Gesamtlänge von fünf Teilnehmern übersteigt. Nervöses Umherschauen, Schweißperlen auf der Stirn bei einigen Wartenden. Wer ergreift die Initiative?

“Könnten Sie mal ‘ne weitere Kasse aufmachen?!”, höre ich in einem häufig sehr unfreundlichen Ton (geht das auch nett?) zwei Plätze hinter mir. Kann die arme Frau in ihrem winzigen Kassenkabuff den Wunsch des Schlangenkönigs möglich machen? Nicht alleine.

Geil, gleich geht’s los, pure Vorfreude!  Sie drückt das Knöpfchen, es klingelt… STARTSCHUSS! “Bitte stellen Sie sich schon mal an der linken Kasse an.”

[caption id=“attachment_375” align=“aligncenter” width=“300”]"Erstmal zu Penny." “Erstmal zu Penny.”[/caption]

Ich liebe diesen Moment. Ihr müsst das unbedingt mal ausprobieren. Um das Meiste aus der Situtation herauszuholen, gibt es einen ganz besonderen Trick. Die Herausforderung besteht jedoch nicht darin schneller, geschickter oder strategischer zu sein. Viel schwieriger: einfach mal nichts tun.

Einfach mal beobachten, wie eilig es die Leute haben. Dabei kann man sich gut fragen, welche Termine sie wohl als nächstes haben - es geht schließlich, und diesen Eindruck könnte man wirklich gewinnen, um Leben oder Tod.

Ob’s die 70-jährige Frau ist, die aus Versehen den Einkaufswagen in meine Hacken rammt oder der junge Familenvater, der seine Kids am Arm packt und neue Weltrekorde für bepackte Cross-Kurzstrecken aufstellt - alle müssen zur neuen (wohlbemerkt noch unbesetzten) Kasse wechseln. Zeitsparen ist angesagt.

Was ich in derzeit spare? Stress. Ich hab’s nicht eilig. Sollen sie doch alle drängeln, remplen und pöbeln. Sich gegenseitig schlechte Laune machen, ihren Kindern ein schlechtes Vorbild sein. Mir egal - bin zum Einkaufen hier. Die Zeit kann ich auch versuchen zu genießen. Das geht am besten, wenn man die Zeit einfach zu schätzen weiß.

Jeder hat’s eilig. Außer bei einer Sache: älter werden. Lass dir doch mal den folgenden Gedanken durch den Kopf gehen: Du bist jetzt jünger als jetzt. Mach das beste draus! Beobachte mal, wie die Wolken sich bewegen oder probiere doch mal, jemandem wirklich zuzuhören. Dazu in einem späteren Artikel meine Meinung.

Warten gehört wohl einfach zum Leben dazu. Die Zeit kann man gut im Voraus budgetieren. Wenn der Zufall es gut mit einem meint und es dann doch mal schneller geht - super! Wieder so eine schöne win-win Situtation.

Viel Spaß wünsche ich, genau jetzt.