Geht das auch nett?

Über Kommunikation, Social Skills und Training

Sind wir wirklich so beschäftigt oder tun wir nur so?

December 03, 2015

Manchmal habe  ich das Gefühl, dass ich mich fast dafür schämen muss, am Wochenende mal nichts vor zu haben. Geht es sonst noch jemandem auch so?

Was hat es auf sich mit dem Trend des beschäftigt Seins? Reicht es nicht, im Schnitt 40 Stunden (oder mehr) in der Woche auf der Arbeit zu verbringen, anschließend Einkäufe und Haushalt zu machen und am Abend noch  sportlich tätig zu sein? Das Wochenende dann auch noch bis zum Anschlag mit wichtigen Terminen oder “Verpflichtungen” vollzupacken, hört sich für mich irgendwie kontraproduktiv an. Altmodische Einstellung? Hoffentlich nicht. Ich recherchierte wieder…

Eine recht umfangreiche Studie entdeckte ich:  The 186. Im September 2015 durchgeführt mit dem interessanten Titel “The Modern Nomad - Connect Me If You Can”, wirft sie die folgenden drei Fragen auf:

  • Wie wird unser Leben, unsere Arbeit und unser Denken davon beeinflusst, dass wir immer miteinander verbunden sind?
  • Welche neuen Entwicklungen möchten wir sehen?
  • Wie können Produkte dabei helfen das Beste aus dem Hochgeschwindigkeits-Alltag herauszuholen?

Befragt wurden über 10.000 Menschen aus 28 Ländern und allen Altersgruppen, von denen 20% sog. Prosumer sind.

Prosumer? Folgende Definition findet man auf Wikipedia:

Mit dem Kofferwort Prosumer (engl.), später germanisiert zu Prosument, wird zunächst ein Verbraucher (engl. (end) consumer) bezeichnet, der professionellere Ansprüche an ein bestimmtes Produkt stellt (sprich: ein Produkt mit einem gewissen professional grade (engl.) erwartet) im Vergleich zum durchschnittlichen Endverbraucher.

Gut zu wissen! Zähle ich mich dazu? Ich denke nicht.

Desweiteren bezeichnet die Studie die 18- bis 34-jährigen als Millenials (auch Generation Y oder digital natives). Zähle ich mich dazu? Ja! Aber ganz knapp. Glück gehabt.

Beim Lesen versuchte ich mich bei den Millenials wieder zu finden - schließlich gehöre ich zu den alten Hasen dieser Generation. Und schon auf Seite 8 fühlte ich mich, zumindest beruflich, in dieser Hinsicht bestätigt:

“Freie Zeit ist ein Geständnis darüber, dass man nicht gebraucht wird.”

Ein schockierender Gedanke.

Gleich auf der nächsten Folie wird aufgezeigt, dass die Millenials mit 51% Prozent am häufigsten dazu neigen, anderen vorzugaukeln, dass sie mehr zu tun haben als in der Realität. Die Generation X (geboren in den 60ern und 70ern) zu 36% und die Generation Baby Boomer (die Nachkriegskinder) nur 26%! Dabei dürfen wir nicht vergessen, dass die Studie auch Probanden aus dem asiatischen Raum befragt hat, wo bespielsweise japanische Büroarbeiter dafür bekannt sind, vor Überarbeitung und Angst den Arbeitgeber zu enttäuschen am Arbeitsplatz einzuschlafen. Das hat, wie alle Extreme, gesundheitliche Folgen: Arbeiten bis zum Tod - im Japanischen gibt’s sogar ein eigenes Wort dafür: Karōshi (過労死). Hoffen wir, dass uns diese Einstellung zur Arbeit in Deutschland verwährt bleibt.

Und privat? Augmentieren wir auch da unsere Realität mit Wichtigkeiten, um nicht langweilig zu wirken? Leider lässt Seite 25 zum Thema Reisen genau das vermuten:

“Reisen war mal eine Kultur, jetzt geht es ebenso viel darum, damit anzugeben.”

Kann man gar nichts mehr einfach so genießen? Es stimmt: Reisen wird einfacher, günstiger und immer beliebter. Technologie lässt Sprachbarrieren in fremden Städten schwinden und Neid erzeugende Fotos von exotischen Stränden durch’s Netz schießen. Wenn ich behaupte, dass ich nicht wahnsinnig gern reise, und auch mal auf dem Sofa liegen bleibe, ernte ich urteilende oder bemitleidende Blicke.  Für 68% Prozent der Millenials ist Reisen eines der größten Freuden im Leben. Aber was, wenn es keiner erfährt? Fühlen wir uns dann wieder zwecklos?

[caption id=“attachment_266” align=“aligncenter” width=“600”]Da war ich schon mal. Ehrlich! Da war ich schon mal. Ehrlich![/caption]

Was mir diese Studie gezeigt hat (und ich habe sie hier natürlich nur angerissen), ist, dass wir tatsächlich auf uns aufpassen müssen. Die ständige Angst, irgendetwas zu verpassen, wird stärker. Soziale Medien wecken Neider und Begehrlichkeiten, die wir vermutlich nur schwer abstellen bzw. befriedigen können. Denn danach kommt schon wieder das nächste Event, die nächste Reise oder Party, zu der man leider nicht eingeladen war.

Ich bleibe jedenfalls dabei: Wenn mal weniger zu tun ist, ist das nichts Schlimmes. Im Gegenteil - ich genieße freie Zeit und behalte sonst auch mal eine Wochenbeschäftigung für mich. Muss ja nicht jeder wissen!

Dafür gibt es sogar auch eine praktische Abkürzung zum Auswendiglernen: Nach dem YOLO-Phänomen kommt jetzt JOMO - The Joy Of Missing Out.

Los, ausprobieren!